NETZZEIT

Unkonventionelles Theater in all seinen Erscheinungsformen

Netzzeit ist ein Werkzeug zur Herstellung von Musiktheater der Gegenwart im weitesten Sinn. Wir besitzen keine Immobilie, weil Theater nicht immobil sein soll. Am Anfang steht die Idee. Die braucht zu ihrer Gestaltwerdung Räume und Menschen, manchmal die gleichen, manchmal andere. Dafür sind wir offen, für Nachhaltigkeit und Flüchtigkeit.

Wir entschieden uns 1984 für den Namen „netzzeit“, weil wir fasziniert waren von Menschen, die die Chancen zu interdisziplinären Projekten mit Hilfe der Internetvernetzungen erkannten. Wir hatten eine Ahnung davon, wie diese Möglichkeiten die Welt und damit auch die Kunst verändern würden. Und so geschah es auch.

netzzeit ist ein gemeinnütziger Verein der von Nora und Michael Scheidl als künstlerische Leiter geführt, und von der Stadt Wien seit 36 Jahren gefördert wird, mit dem Auftrag Theater zu realisieren, das im konventionellenTheaterbereich nicht möglich ist, oder dort aus anderen Gründen nicht stattfindet.

Nora Scheidl

„Wenn man Talente irgendwie aus welchen Gründen auch immer bekommen hat, entdeckt man ja mit diesen Talenten die Welt. Ich also durchs Zeichnen, Schreiben, Räume bauen, Ideen für Entwicklungen haben…“

Wien

Wien ist meine Heimat. Geboren, aufgewachsen, Leben. Ich habe die Sprache dieser Stadt kennen gelernt — und ich liebe sie.

Es gibt ein Zitat, das sagt, die Österreicher sind zur einen Hälfte alle Schauspieler, die andere Hälfte sind Kellner. Welcher Boden kann für Theatermenschen besser sein?

Hier gibt es noch — und hoffentlich noch eine ganze Weile — Platz für Unnötiges, für Zögerlichkeiten, für überschwängliche Gefühle und Kasperliaden.

Menschen von außen fragen manchmal, warum in Wien nichts direkt geht. Manchmal verzweifelt man als Wienerin auch daran, dass Entscheidungen dauern, Wege undurchschaubar sind, man sich oft in einem ewigen Stillstand befindet, aber letztlich macht Wien sehr viel möglich und ist mutig mit seiner langen Geschichte, um die es weiß.

Wie es anfing

Michael hatte ein Stück entdeckt. „Selbstverständlich San Franzisko“. Eine österreichische Autorin. Wir gehen spazieren, auf einer Wiese, entwickeln unsere Phantasien, wie man dieses Stück zum Leben erwecken könnte.

Die Wiese war in Deutschland, und wir machten gerade unser ersten Schritte in der deutschen Theaterlandschaft.

2 Jahre später, nach Wien zurückgekehrt, gehen wir aufgeregt ins Wiener Kulturamt um unseren ersten Subventionsantrag zu stellen. „Ja machen Sie „Selbstverständlich San Franzisko“, wir werden es unterstützen.“ Das war ein wunderbares Glücksgefühl.

Später viele Gespräche mit der Autorin. Sie ist ein scheues Reh mit großen Augen, kurz vor Probenbeginn hat sie sich das Leben genommen, als ich es erfuhr, fiel mir ein Backblech aus der Hand.

Wir hatten im April 1985 Premiere gehabt; mit unserer ersten netzzeit-Produktion – das war der Anfang.

Biografisches

NORA SCHEIDL
Künstlerische Leiterin von netzzeit, Bühnen- und Kostümbildnerin.
* Wien, 1960. Matura 1977

Ausbildung

Ausbildung an der Universität für angewandte Kunst bei Erich Wonder und Axel Manthey. Während des Studiums zwei Gastsemester bei Karl Kneidl an der Kunstakademie in Düsseldorf. 1987 Diplom für Bühnen- und Filmgestaltung mit Auszeichnung.

Seit 1983 freischaffende Bühnen- und Kostümbildnerin.

Arbeiten an der Volksoper, am Ensembletheater, Volkstheater, Jugendstiltheater, Schönbrunner Schlosstheater, Kammeroper, Odeon, Theater in der Josefstadt in Wien, am Kornmarkttheater für die Bregenzer Festspiele und in Schwechat bei den Nestroyspielen, sowie an Spielorten und bei Festivals in Italien, Luxemburg, Ungarn, der BRD und der Schweiz.

Seit 1985 2. künstlerische Leiterin von netzzeit

Einige Produktionen und Projekte der letzten Jahre:

„Der Vogelhändler" Operette von Carl Zeller, Schlossfestspiele Langenlois, 2018

"Liebe Hoch 16", Eine türkisch-wienerische Heimat-Musikkomödie vom Brunnenmarkt. Von Ibrahim Amir, Clemens Wenger, Wilfried, Esra Özmen & Michael Scheidl, Wir sind Wien Festival, Out of Control 2017

"Das kleine ICH BIN ICH" erzählt von Mira Lobe komponiert von Georg Friedrich Haas, Wien Modern, Dschungel Wien, 2016

„Weißes Rössl" Operette von Benatzky, Gilbert u. Stolz Schlossfestspiele Langenlois

 „ein tag und eine stunde in urbo kune“, ACHTbrücken köln, 2015 out of control wien, holland festival, 2014/15

„JOIN!“ (Franz Koglmann), Wiener Festwochen, UA 2013

„Camilo Chamäleon“ (Kinderoper von Max Nagl), Out of Control,  UA 2011

„Amazonas“ , (Klaus Schedl u. Tato Taborda), Multi Media Oper Uraufführung 1. und 2.Teil, Münchener Biennale, Sesc Sao Paulo/Brasilien, Out of Control, 2010/11

„Die grosse Bäckereiattacke“ (Misato Mochizuki/Yohanan Kaldi/Reinhard Palm), Luzerner Theater, 2009

„Kehraus um St. Stephan“ (Ernst Krenek), Kornmarkttheater, Bregenzer Festspiele, Luzerner Theater und Volksoper Wien, 2009

„La philosophie dans le labyrinth“ (Aureliano Cattaneo/Edoardo Sanguineti), Carl Orff Saal, Gasteig, Münchener Biennale, UA 2006

„Der tollste Tag“ (Peter Turrini), Martinsplatz/Bregenzer Festspiele, 2006

„Der Mann ohne Eigenschaften“ (Robert Musil), Theater in der Josefstadt, 2002

„Der Sturm“ (Shakespeare), Pfalztheater Kaiserslautern

„Fink und Fliederbusch“ (Schnitzler), Theater in der Josefstadt

„Das Mädl aus der Vorstadt“, (Nestroy), Nestroyspiele Schwechat

„Höllenangst“, (Nestroy), Nestroyspiele Schwechat

„Weder Lorbeerbaum noch Betelstab“, (Nestroy), Nestroyspiele Schwechat.

„Dionysos Rising“, Halle E im Museumsquartier, 2019.

Aktuellste Produktion im Rahmen von netzzeit: 
„701 Britische Teelöffel - Viva la muerte“, Das OFF Theater Wien, 2019.

Auszeichnungen

Förderungspreis des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung für „Die Nacht aus Blei“ von Hans Henny Jahnn.

FÜR WEITERE PRODUKTIONEN IM RAHMEN VON NETZZEIT, SEHEN SIE BITTE UNTER „ARCHIV

Michael Scheidl

Wenn ich so ganz in mich hineinhöre, dann weiß ich, dass es um Liebe geht.
Leben finden.
Jeder seines.
Theater.
Musiktheater.
Freude am Licht.
Neugier auf Dunkelheit.

Michael Scheidl

Wien

Wien heißt für mich, meine Sprache, Musik, Zwischentöne; Poesie und Niedertracht, Verführung und Einlullerei, hinreissende Begeisterung und hinabzerrende Depression.

Immer noch Zeit, Raum, Geld, Interesse, Aufmerksamkeit, Begeisterung haben und vorfinden fürs „Nutzlose“ – immer noch eine Insel umbrandet vom Meer der Effizienz, der Machbarkeit und der Ausnutzung bis zum letzten Tropfen von allem und jedem.

Die subtile Art, mit der Lüge die Wahrheit zu sagen, gibt der Sprache und den Menschen hier eine Fähigkeit zur Ambivalenz und Vielfalt im Ausdruck, die sonst fast überall von den Eindeutigkeits-, Vereinfachungs-, Effizienz- und Ökonomisierungsmusterschülern beseitigt wurde, um den Weg für den willfährigen und ausschließlichen homo consumensis zu ebnen.

Eine Stadt, die, trotz Großstadtanspruch und -kultur, noch eine menschliche Größe hat: Bloß 1,8 Millionen Einwohner.

Wie es anfing

Alles fing damit an,
dass ich mein Leben selbst in die Hand und meine Wünsche ernst nahm.

Ihnen zu folgen — manchmal über Jahre, bevor eine Erfüllung zu mir sprach — brachte MIR eine Lebensgefährtin ein und UNS Kinder und viele, viele Bühnenwesen, die viele unsichtbare Welten innerhalb unserer Welt allen Teilnehmern an dieser Zeit sichtbar und erfahrbar gemacht haben.

Alles fing damit an, dass ich damit aufhörte mich vor der Furcht zu fürchten.

Alles fing damit an, dass wir begannen, Nora und ich. So begann netzzeit.

Biografisches

MICHAEL SCHEIDL

Künstlerischer Leiter von netzzeit, Regisseur, Autor, Ermöglicher, Schauspieler. * Wien, 1954

Seit 1983 im Raum Wien ansässig und europaweit und darüber hinaus tätig, bis Ende der 90-er Jahre auch in TV und Film. Insgesamt inszenierte er bisher mehr als 60 Werke und Projekte im Bereich Sprechtheater, allen Genres des Musiktheaters und betreute als künstlerischer Leiter von netzzeit über 70 Produktionen und Gastspiele; seine Inszenierungen reichen von klassischen Opern, über Operetten, Musicals,  jeglichen Variationen von Cross Over Projekten, bis hin zu neuen Formen des Musiktheaters, an etablierten Stadt- und Staatstheatern (Luzerner Theater, Theater Lübeck, Volksoper Wien, u.a.), bei nationalen und internationalen Festivals (Wiener Festwochen, Bregenzer Festspiele, Biennale Venezia, Holland Festival, Münchener Biennale u.v.a.), auf traditionellen Guckkastenbühnen, Arenabühnen, in Konzertsälen (Wiener Konzerthaus, Muziekgebouw/Amsterdam, Kölner Philharmonie u.v.a.) multifunktionalen Veranstaltungsräumen (Museumsquartier Halle E, Reithalle München, SESC-Pompeij/Sao Paulo u.a.) ebenso, wie an extremen Ereignisorten 

(Orten im öffentlichen Raum z.B. Biedermeierbrunnen, Marktplätze, Parkanlagen, Restaurants und Wirtshäuser, Ausstellungsräume, psychiatrischen Anstalten, Hotels, Klosterhöfe, Nachtklubs, Kirchen, Schulen, Universitäten, Ballsälen, Museen u.v.a.).

1985 gründet er, gemeinsam mit seiner Frau, der Bühnen- und Kostümbildnerin Nora Scheidl „netzzeit“, einen gemeinnützigen Verein, der seit 35 Jahren als Werkzeug zur Herstellung zeitgenössischen Musiktheaters dient und dessen künstlerische Leitung, die beiden bis heute inne haben.

Seit etwa 2000 produziert die Institution ausschließlich Werke von lebenden Komponisten, die wichtige Themen unserer Gegenwart und Kultur aufgreifen, wobei die meisten davon in direkter Zusammenarbeit mit den KomponistInnen entstehen.

Michael Scheidl hat sich als Regisseur aber nicht nur bei nationalen und internationalen Festivals und im Bereich der Avantgarde einen Namen gemacht, sondern ist spätestens seit 2008 durch die Inszenierung von „Kehraus um St. Stephan“, von Ernst Krenek einem breiten Publikum bekannt.

Die Aufführung wurde bei den Bregenzer Festspielen, am Luzerner Theater und an der Wiener Volksoper gezeigt, wo sie die erste Aufführung eines Opernwerkes des 20.Jahrhunderts ist, das wegen der großen Publikumsnachfrage in die nächste Saison mit zusätzlichen Vorstellungen übernommen wurde. Auch seine Inszenierungen von Operetten auf großen Open Air Bühnen erschließen der künstlerischen Handschrift Scheidls ein immer breiteres Publikum, das ihm teilweise auch ins jeweils andere Arbeitsfeld folgt.

Seit 2004 und ab 2005 biennal produziert netzzeit unter seiner künstlerischen Leitung OUT OF CONTROL, Wien´s Festival für Neues Musiktheater. Es gibt kein „Haus“, weil die Aufgabe darin besteht, mit der Idee zu beginnen und dann gemäß der Idee einen geeigneten Raum zu finden, dessen Größe und Atmosphäre, je nach dieser Idee, naturgemäß sehr verschieden ausfallen kann. Daher ist netzzeit auch keinem Genre verpflichtet, und kennt auch keine musikalisch – ästhetischen Abgrenzungen. Seine letzte Inszenierung von Scheidl war das Projekt „Dionysos Rising“, die am Theater Sanbapolis in Trient/Italien im Januar 2019 uraufgeführt wurde und im September in der Halle G im Museumsquartier im Rahmen von 2019 OUT OF CONTROL zu sehen war. Aktuell arbeitet er an der Märchenoper für Kinder „Der Besuch vom kleinen Tod“, sowie 5 weiteren Projekten des 2021 OUT OF CONTROL.