Das All im Reiskocher
A Kind of Comedy
von Michael Scheidl
Uraufführung
Michael Scheidl, Regisseur und Autor des Projektes, der durch seine interdisziplinären Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft den Klimawandel und seine Ursachen seit 15 Jahren immer wieder thematisiert, sagt zu seinem Stück:
" Vor bald 39 Jahren haben meine Frau, die Bühnen- und Kostümbildnerin Nora Scheidl und ich netzzeit, ein Werkzeug zur Herstellung von Musiktheater, gegründet. Nach 35 Jahren Theaterarbeit haben wir keine Förderanträge mehr an die Gemeinde Wien gestellt und netzzeit mit dem Festival Out of Control 2021 aus der Theaterlandschaft genommen. Dies war einerseits einer gewissen Müdigkeit geschuldet, einen Kunstbetrieb mit all seinen administrativen und repräsentativen Verpflichtungen zu leiten und der Mühsal der Akquisition von Geldmitteln. Andererseits wollten wir auch nicht zu jenen gehören, die öffentliche Gelder im fortgeschrittenen Alter weiter in Anspruch nehmen und sie somit für die jungen Theaterschaffenden blockieren, die dadurch in ihrer künstlerischen Entwicklung benachteiligt wären. Auch müsste netzzeit, wenn als Werkzeug nicht überhaupt schon zu abgenutzt, jedenfalls eine gründliche Überarbeitung durchmachen – eine Frage, die noch nicht ganz
beantwortet ist. Für uns schuf der Wegfall der unternehmerischen Bürde einen neuen Freiraum für künstlerische Arbeit und eröffnete die Möglichkeit zu einem Auftrag von Airan Bergs Theater „Zirkus des Wissens“. Dabei handelt es sich um eine interdisziplinäre Kunststätte auf dem Gelände der Johannes-Kepler-Universität in Linz, die vorrangig dem Ziel verpflichtet ist, vor allem jungen Menschen Lust auf wissenschaftliche Arbeit zu machen und deren Image, dass es sich bei dieser um eher trockene und theoretische, um langweilige und spaßbefreite Tätigkeiten handelt, zu entkräften.Und so kam es dazu, dass ich mein Spektrum mit „Das All im Reiskocher“ um das des dramatischen Schriftstellers erweitern konnte. Ich konnte und durfte ja bei einigen netzzeit-Auftragswerken mit namhaften Komponisten und Dramatikern, wie Franz Koglmanns „Fear Death by Water“, Franzobels „Der siebte Himmel in Vierteln“, Dimitré Dinevs „Whatever Works“, Ibrahim Amirs „Liebe Hoch 16“ und
„Oneway“, sowie Antonio Fians „Kismet und Masen“ als nicht nur akzeptierter, sondern auch willkommener Mitverfasser der Texte oder Miterfinder der diesen Texten zugrundeliegenden Geschichten mitwirken. Darauf aufbauend habe ich nun mein erstes Stück geschrieben, wenn auch von dem unverzichtbarem Coaching des „Wiener Wortstätten“-Gründers Hans Escher begleitet. Der Themenbereich des Stückes gehört zu denen, die derzeit alle aufgreifen: Der Klimawandel, der Raubbau des Menschen an der Natur, der „kolonialistische Umgang des Menschen mit den Ressourcen“ etc.
Allerdings wollte ich nicht eine weitere apokalyptische Menschuntergangsgeschichte schreiben (denn wenn der Mensch in diesem Zusammenhang von „Weltuntergang“ spricht, meint er ja vor allem und letztlich nur seinen eigenen Untergang als Spezies und nicht den der Welt oder des Lebens schlechthin, denn dazu ist er nicht wirklich imstande), sondern eine Boulevardkomödie – allerdings inklusive albtraumhaftem Weltuntergang mit unerwartet optimistischem Ende. Ich wollte dabei nichts beschönigen oder verharmlosen, aber gleichzeitig auch nichts „hysterisieren“. Mein Wunsch wäre, dass die Besucher*innen die Vorstellung mit einer guten Balance zwischen „carpe diem“ und – bei aller Ungewissheit, WIE schrecklich es letztlich wirklich werden wird – der Motivation verlassen, alles zu tun, um eine möglichst gut lebbare Gegenwart und Zukunft für die kommenden Generationen zu schaffen.
Seit 2008 beschäftigen wir uns im Rahmen von netzzeit mit dem Klimawandel. Es begann mit dem Projekt „Amazonas“, welches uns in den Regenwald zu den Yanomami führte, Indigenen, die in Nordbrasilien ein großes Regenwaldgebiet besiedeln, das bis weit nach Venezuela hineinreicht. Gemeinsam mit Schamanen erkundeten wir deren Weltwahrnehmung und erarbeiteten mit ihnen das Musiktheaterprojekt „Amazonas“ mit den beiden Stücken „Der Einsturz des Himmels“ und „Tilt“, in dem wir ihre Weltwahrnehmung der des weißen Mannes am Beispiel Amazonas gegenübergestellt haben. Beteiligt war auch eine Reihe von Wissenschaftler*innen, die sich mit Kolonialismus und Klimawandel auseinandergesetzt haben. Alles, was damals durch Schamanen und Fachleute über den Klimawandel und den Raubbau durch den weißen Mann in unseren Fokus geriet und alles, was wir an einer alternativen, radikal anderen Weltanschauung im Einklang mit dem Leben und allen seinen Wesen auf diesem Planeten von den
Yanomami erfahren konnten, ist heute – 13 Jahre später, aber erst im Zuge der klimabedingten immer größeren Katastrophen – im Begriff, langsam im allgemeinen Bewusstsein der westlichen Welt anzukommen.
Uns hat dieses Bewusstsein in fast allen unseren Projekten begleitet und war Teil von ihnen. Dass diese Auseinandersetzung nun, 5 vor 12 (oder 3 nach 12 – das ist eine Frage der Interpretation des status quo) mit „D.A.R.K. – Das All im Reiskocher“ in einer künstlerischen Boulevardkomödie mündet, hätten wir uns anfangs nicht träumen lassen, aber es erscheint uns jedenfalls als sinnvollerer Beitrag zur Stärkung des Glaubens an eine für uns Menschen lebenswerte Zukunft als ein weiterer apokalyptischer Ausblick."
Aber immerhin spielt der Homo Sapiens noch eine Rolle: Was sind Facts und was sind Fictions in dieser Art Komödie, die eine Staatsanwältin und einen Biologen auf einen unfreiwilligen Trip durch ein ganzes Jahrhundert in unser gemeinsame ungewisse Zukunft führen...
Darüber und über andere Fragen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, wo er uns, unsere Mitmenschen und unseren Lebensraum überall schon verändert und verändern wird und wie wir das beeinflussen können, sprechen wir nach der szenischen Lesung des Stückes mit den WissenschafterInnen IRMGARD GREILHUBER (Mykologin am Department für Botanik und Biodiversität an der Universität Wien und Präsidentin der mykologischen Gesellschaft), MARTIN HOFFMANN, (Physiker und Materialforscher, Generalsekretär des Club of Rome/Österreich, Dozent an der JKU (Johannes Kepler Uni)/Linz, Mitglied bei Scientists for Future) FRIEDRICH SCHWARZ (Stadtbiologe und ehemaliger Direktor der Botanischen Gartens in Linz) und WILHELM BERGTHALER, (Universitätsprofessor für Umweltrecht an der JKU Linz).
Dort, wo wir feststellen, dass wir zu gewissen Themen, da mal was Bedrohliches wahr nehmen, dann dort und dann wieder zwei Tage später. Wenn wir registrieren, das gewisse beunruhigende Ereignisse oder Wortmeldungen immer mehr werden. Dort, wo diese Wahrnehmungen sich unterschwellig verdichten zu einem Klima von Angst und Beunruhigung, fragen wir oft nicht nach. Und so ballt sich unter der bewussten Oberfläche in unserer Psyche eine Schattenwelt auf, die genährt von unüberprüften Gerüchten und spekulativen Ängsten immer irrationalere und schrecklichere Zukunftsversionen erzeugt. Sie wirkt dann auf mannigfaltige Weise unbewusst auf unser Gemüt ein und verleitet zu falschen Bewertungen und Wertvorstellungen. Das betrifft Behauptungen über Menschen und Institutionen genauso wie über Veränderungen wie etwa dem Klimawandel: Die reichen von Verharmlosung bis zur Prophezeiung völlig irrationaler Apokalypsen. Von übertriebenen Heilsversprechen (befördert von populistischen Politikern in Bezug auf goldene Zeiten nach Vernichtungsfeldzügen gegen "die Anderen", beim Klimawandel befördert von nicht minder populistischen Global Playern aus der Wirtschaft in Bezug auf Wundermittel aus technologischen Zukunftswerkstätten) bis hin zu fatalistischen Behauptungen wie "der Klimawandel hat mit menschlichem Verhalten und Agieren gar nichts zu tun" (bei Diktatoren, dass Widerstand zwecklos ist). Wenn wir immer wieder nachfragen, wenn wir uns unangenehmen Themen stellen, indem wir es genau und wirklich genau wissen wollen, dann können viele schreckliche Entwicklungen verhindert oder wenigstens abgemildert werden. Wenn unsere Vorfahren das öfter und vehementer gemacht hätten (z.B. in 30-er und 40-er Jahren in Bezug auf Absichten und dann die Verbrechen der Nationalsozialisten), hätte wahrscheinlich Einiges verhindert werden können. Gerade in der Demokratie, wo das Nachfragen erlaubt - ja sogar eigentlich verlangt wird vom Bürger, wo es also so leicht ist nachzufragen, sollten wir nicht müde werden diese mächtigste aller Waffen gegen dunkle Zeiten so oft wie nur möglich anzuwenden.
ALL: Die Herstellung von Homo Sapiens durch Paarung von physisch dafür geeigneten Geschlechtspartnern ist ja verboten worden.
MIRANDA: Was? Nein! Äh – Warum.
ALL: Weil man zu der Überzeugung gelangt ist, dass das zu weniger wünschenswerten Ergebnissen führt und noch dazu für die produzierende Person immer Risiken birgt.
MIRANDA: Was?
ALL: Deswegen wurde das Recht auf Integrität des Organismus durch das Recht auf Leben nach bestverfügbarer Technik also das jeweils bestmögliche ersetzt. Und wenn ich Dich richtig verstehe, willst Du ja sowieso keine Kinder, weil es Dir zu riskant ist.
MIRANDA: Ja! Aber wegen der Welt, in die ich sie hineingebären würde! Nicht wegen irgendeinem Risiko für mich oder das Kind, falls es nicht ….“bestmöglich“ wird! Was immer das überhaupt heißen soll!
Premiere:
2. Februar 2024, 15.00 Uhr
Vorstellungen:
3.2., 15.00 Uhr
6.2., 19.00 Uhr
8.2., 15.00 Uhr
10.2., 15.00 Uhr
Ort:
Campus der Johannes Kepler Universität LINZ
Altenberger Straße 69
EINTRITT FREI
Platzreservierungen:
www.jku.at/zirkus-des-wissens/spielplan
Schulvorstellungen:
5.2. bis 9.2. und 12. und 13.2.,
alle um 10.00 Uhr
Platzreservierungen für die Schulvorstellungen:
zirkusmachtschule@jku.at
Eszther Hollosi, Julia Frisch, Max J Modl, Eric Lingens
Michael Scheidl
Nora und Michael Scheidl
Michael Scheidl, Airan Berg
Bühne: Nora Scheidl
Nora Scheidl
Michael und Nora Scheidl, Hans Escher
Alex Riff
Barbara Vanura
Michael Scheidl
Dr. Irmgard Krisai-Greilhuber, Mykologin am Department für Botanik und Biodiversität an der Universität Wien, Präsidentin der österreichischen mykologischen Gesellschaft, Dr. Friedrich Schwarz, Botaniker, Zoologe, Stadtökologe in Linz, Dr. Wilhelm Bergthaler, Universitätsprofessor für Umweltrecht an der JKU Linz und Dr. Martin Hoffmann, Physiker und Materialforscher, Dozent an der JKU Linz,
Max Scheidl